Marfan-Syndrom: Symptome, Risiken und Lebenserwartung
Das Marfan-Syndrom ist eine seltene erbliche Erkrankung, die das Bindegewebe betrifft. Neben einem typischen optischen Erscheinungsbild kommt es zu einer Vielzahl von Symptomen. Die Erbkrankheit betrifft den ganzen Körper: Besonders gefährlich sind dabei die Veränderung an Herz und Blutgefäßen. Worauf Menschen mit der Erkrankung achten müssen und wie hoch die Lebenserwartung ist, lesen Sie hier.
FAQ: Marfan-Syndrom
Früher war die Lebenserwartung von Menschen mit Marfan-Syndrom deutlich reduziert. Oftmals starben Menschen früh an Herz- oder Gefäßerkrankungen. Dank der modernen Medizin können gefährliche Veränderungen von Herz- und Gefäßen durch regelmäßige Kontrollen frühzeitig aufgedeckt und behandelt werden, wodurch die Lebenserwartung beim Marfan-Syndrom kaum reduziert ist.
Eine gezielte Behandlung der Ursachen ist nicht möglich, das Marfan-Syndrom ist nicht heilbar. Allerdings können Symptome und auftretende Komplikationen in der Regel gut behandelt werden, sodass Betroffene nur wenig in ihrem Alltag eingeschränkt sind. Zur Behandlung gehören oftmals chirurgische Eingriffe und Operationen, die Einnahme von Medikamenten sowie Physiotherapie.
Die schwerwiegenden Komplikationen an Herz und Gefäßen verursachen in der Regel keine Schmerzen, oftmals fallen Menschen mit dem Marfan-Syndrom durch ihren Körperbau auf. Häufig sind dabei die Finger und Zehen sehr lang, aber auch die Arme und Beine. Insgesamt wirken Menschen mit der Erkrankung groß und schlaksig, ihr Kopf ist lang geformt. Dazu berühren sich bei Menschen mit Marfan häufig Daumen und kleinen Finger, wenn sie ihr Handgelenk umfassen. Das galt früher als diagnostischer Test.
Marfan-Syndrom: Wie häufig ist die Erkrankung des Bindesgewebes?
Beim Marfan-Sydrom (MFS) handelt es sich um eine eher selten auftretende Erbkrankheit, von der etwa ein bis zwei von 10.000 Menschen betroffen sind. Männer und Frauen erkranken etwa gleich häufig. Der Erbgang ist unabhängig vom Geschlecht und folgt einem autosomal-dominanten Muster. Ist ein Elternteil betroffen, gibt es den Gendefekt mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 Prozent an die Kinder weiter. Leiden beide Eltern am Marfan-Syndrom, ist der Nachwuchs zu 75 Prozent auch betroffen. In rund 25 Prozent der Fälle tritt die Mutation spontan auf, obwohl die Eltern nicht am Marfan-Syndrom erkrankt sind. Fachleute sprechen dann von einer Neumutation.
Bei MFS liegt ein Defekt auf dem Chromosom 15 vor, die Mutation betrifft das Fibrillin-1-Gen (FBN1) vor. Fillibrin-1 ist ein die Mikrofibrillen des Bindegewebes stabilisierendes Protein. Durch die Mutation kann es nicht ausreichend gebildet werden, wodurch das Marfan-Syndrom mit einer veränderten Festigkeit des Bindegewebes einhergeht. MFS betrifft damit den gesamten Körper, denn Bindegewebe kommt in nahezu jedem Organ vor.
Marfan-Syndrom – Symptome und körperliche Besonderheiten
Besonders schwerwiegende Auswirkung hat die erbliche Bindegewebserkrankung auf das Herz und die Blutgefäße, in rund 90 Prozent der Fälle liegen Veränderungen im Herz-Kreislauf-System vor. Es kommt beispielsweise häufig zu Fehlbildungen des Herzens.
Die Anzeichen und Symptome der Marfan-Krankheit sind sehr variabel. Sie können an verschieden Körperstellen und Organen in unterschiedlicher Ausprägung auftreten. Betroffen sind etwa Gelenke und Knochen, Augen sowie die Haut oder Lunge.
Symptome und organische Veränderungen durch MFS:
- Kardiovaskuläre Besonderheiten und Fehlbildungen: Erweiterte Blutgefäße und Aussackungen – insbesondere an der Hauptschlagader (Aorta), rissige Blutgefäße, Herzklappenfehler und -entzündungen (wie einen Mitralklappenprolaps), Herzschwäche (Herzinsuffizienz) und Herzversagen
- Augen: Linsentrübung (grauer Star) oder Verschiebung und Abreißen der Linse, Kurzsichtigkeit, Erblindung, Netzhautablösung
- Lunge: Spontanpneumothorax (die Lunge kann spontan in sich zusammenfallen)
- Haut: Dehnungsstreifen, Neigung zu Leistenbrüchen
Die Fehlbildung an Herz, Lunge, Augen und der Haut müssen nicht von Geburt an bestehen. Gerade an den Blutgefäßen, die durch das Marfan-Syndrom instabil sind, können sie sich auch über Jahre hinweg unbemerkt ausbilden und dann plötzlich reißen.
Der skelettale Körperbau von Menschen mit der Erbkrankheit ist oftmals auffällig. Durch die Erkrankung kommt es etwa zu langen und schmalen Fingern (Arachnodaktylie), Füßen und Zehen. Die Extremitäten wie Arme und Beine erscheinen oftmals unverhältnismäßig lang. Menschen mit MFS werden in vielen Fällen sehr groß und haben insgesamt einen schlaksigen Körperbau. Der Kopf ist ebenfalls meist länglich geformt, Zahn- und Fußfehlstellungen wie Platt-, Knick- und Senkfüße sind typisch.
Aufgrund des schwachen Bindegewebes sind Marfan-Betroffene oftmals sehr dehnbar. Zudem sind Verkrümmungen der Wirbelsäule (Skoliose) sowie eine Trichterbrust möglich.
Wie wird das Marfan-Syndrom festgestellt?
Die frühe Diagnose bei MFS ist wichtig, da sie schwerwiegende Komplikationen wie ein spontanes Reißen oder Platzen der Aorta oftmals verhindern kann. Nicht immer wird das Marfan-Syndrom jedoch bereits im frühen Kindes- oder Säuglingsalter festgestellt: Manchmal zeigen sich die Anzeichen erst später. Dann weisen die Symptome auf die genetische Erkrankung hin.
Die Diagnose erfolgt in aller Regel interdisziplinär, viele Ärzt*innen sind meist daran beteiligt. Mögliche Anlaufstellen und Fachrichtungen sind:
- Kinderärztliche Praxis
- Kardiologie
- Humangenetik
- Augenärztliche Praxis (idealerweise auf Marfan-Syndrom spezialisiert)
- Orthopädie
Für die Diagnose galten lange das Handgelenks- und Daumenzeichen als relevant:
- Für das Handgelenkszeichen (Murdoch-Zeichen) umfassen Patient*innen ihr eigenes Handgelenk: Bei Menschen mit Marfan-Syndrom überlappen sich dabei häufig Daumen und der kleine Finger.
- Beim Daumenzeichen hingegen wird der Daumen in der Faust eingeschlossen. Der Test galt als positiv für MFS, wenn er auf der gegenüberliegenden Seite aus der Hand hervorragt.
Inzwischen gelten diese Tests als überholt, da auch Menschen ohne Marfan-Syndrom manchmal sehr lange und dehnbare Finger haben, wodurch die Tests als unzuverlässig gelten.
Die Feststellung der Erkrankung erfolgt anhand in der Gent-Nosologie (Katalog mit Diagnosekriterien) festgelegten Kriterien. Besonders wichtig für die Diagnose sind unter anderem:
eine Fehlbildung der Aorta wie das Aortenwurzelaneurysma und eine Aortendissektion (Riss in der Gefäßwand der Aorta) im aufsteigenden Ast der Hauptschlagader,
eine Verschiebung der Augenlinse,
weitere familiäre Fälle von MFS.
Neben MFS gibt es noch weitere Krankheiten des Bindegewebes, die ähnliche Beschwerden verursachen, wie das Ehlers-Danlos-Syndrom oder das Loeys-Dietz-Syndrom. Um entsprechende andere genetische Störungen sicher ausschließen zu können, wird in der Regel ein molekulargenetischer Test durchgeführt.
Therapie: Ist das Marfan-Syndrom heilbar?
Das Marfan-Syndrom ist nicht heilbar. Aufgrund moderner Medizin sind die Beschwerden allerdings in vielen Fällen gut behandelbar, sodass sich die Lebenserwartung von Personen mit MFS heute kaum mehr von gesunden Menschen unterscheidet.
Probleme an Herz und Gefäßen sowie an den Augen können und müssen oftmals operiert werden. Sinnvoll sind etwa die chirurgische Behandlung eines Aortenaneurysmas oder einer Dissektion, um ein Reißen oder Platzen zu verhindern, sowie die operative Korrektur von fehlerhaften Herzklappen, die das Risiko für bakterielle Entzündungen wie eine Endokarditis fördern.
Fehlbildungen und Fehlstellungen an Zähnen und Skelett können mithilfe von Physiotherapie, Zahnspange und Schuheinlagen behandelt werden. Auch hier wird manchmal ein operativer Eingriff notwendig.
In vielen Fällen ist eine medikamentöse Behandlung geeignet, die Verabreichung von Betablockern kann unter Umständen das Auftreten einer Aortendissektion und infolge einer Aortenruptur verhindern. Im Einsatz sind unter anderem die Wirkstoffe Atenolol und Metoprolol.
Zudem ist die medikamentöse Endokarditisprophylaxe wichtig. So werden etwa vorbeugend in bestimmten Situationen wie einer Operation oder einem zahnmedizinischen Eingriff Antibiotika verordnet.
Lebenserwartung und Prognose: Leben mit dem Marfan-Syndrom
Unerkannt und unbehandelt verläuft das Marfan-Syndrom oftmals tödlich: Es kommt in vielen Fällen zu einer spontanen Aortenruptur, die lebensbedrohlich ist und sofortiger notärztlicher Hilfe bedarf.
Auch verschlimmern sich Fehlstellungen wie die Skoliose oftmals im Lebensverlauf. Deshalb sind die frühzeitige Diagnose und Therapie besonders wichtig. Regelmäßige kardiologische Kontrollen von Herz und Blutgefäßen dienen der Früherkennung schwerwiegender, meist behandelbarer Veränderungen und retten häufig Leben. Die Kontrolluntersuchungen finden in der Regel jährlich statt, in manchen Fällen auch in kürzeren zeitlichen Intervallen.
Frauen mit Marfan-Syndrom und Kinderwunsch sollten besonders achtsam sein, denn die Beschwerden und Herzprobleme können sich in der Schwangerschaft verstärken. Besteht die Sorge, ob das Kind auch betroffen sein wird, können pränataldiagnostische Untersuchungen Aufschluss geben. Auch eine ärztliche Beratung vor der Schwangerschaft ist anzuraten.
Tipps für Betroffene: Was beim Marfan-Syndrom zu beachten ist:
- Menschen mit MFS, sollten sich gut über die Erkrankung informieren, um relevante Veränderungen erkennen und entsprechend handeln zu können. Dazu können Stunden bei spezialisierten Ärzt*innen wahrgenommen werden.
- Starke Belastung, Kontaktsportarten wie Fußball, Kraft- und Leistungssport sind zu meiden: Sie erhöhen das Risiko für eine Gefäßruptur.
- Der Austausch mit anderen Betroffenen sowie die psychologische Betreuung und Beratung können helfen, mit der Erkrankung umzugehen und diese besser zu verarbeiten.