Kammerflimmern: Ohne Behandlung droht Lebensgefahr
Bei Kammerflimmern sind die elektrischen Impulse übersteuert, die den Herzschlag auslösen. Deshalb pumpt das Herz kein Blut mehr in den Kreislauf. Betroffene verlieren das Bewusstsein und atmen nicht mehr. Unbehandelt droht innerhalb von Minuten der Tod. Alles zu Symptomen und Behandlung.
Kammerflimmern: Signalchaos im Herzmuskel
Jedes Jahr sterben in Deutschland nach Schätzungen rund 5000 bis 6000 Menschen an Kammerflimmern – fast jeder zehnte Fall eines plötzlichen Herztodes wird durch diese Überreaktion des Herzens verursacht. Etliche Betroffene waren vorher völlig beschwerdefrei.
Bei einem gesunden Menschen schlägt das Herz in Ruhe 60 bis 80 Mal pro Minute. Pro Herzzyklus saugt es sauerstoffreiches Blut aus den Lungengefäßen an und pumpt es dann in den Körper. Arterien leiten das Blut bis in alle Körperteile und Organe. Ausgelöst wird dieses Zusammenziehen des Herzmuskels durch elektrische Signale. Diese entstehen ohne äußeren Einfluss im Herzen.
Der Sinusknoten an der Wand des rechten Vorhofs erzeugt diesen elektrischen Impuls. Er ist Taktgeber der Herzens. Der Impuls wird mit geringer Verzögerung an weitere Punkte im Herzen geleitet. Dadurch ziehen sich alle Muskeln des Herzens in einer sinnvollen Abfolge zusammen und entspannen sich wieder. Zwischen An- und Entspannung brauchen die Herzmuskelzellen eine kurze Zeit, bevor sie wieder bereit sind für den nächsten Zyklus.
Beim Kammerflimmern – nicht zu verwechseln mit dem Vorhofflimmern – geraten jedoch die elektrischen Signale durcheinander. Es entsteht eine "kreisende Erregung" zwischen den Herzmuskelzellen, sie erhalten den elektrischen Impuls zu unterschiedlichen Zeiten. Deshalb ziehen sich die Herzkammern nicht mehr richtig zusammen, sondern das Herz zittert oder flimmert nur noch. Dadurch kann kein sauerstoffreiches Blut mehr in den Kreislauf gepumpt werdem. Darunter leiden als erstes die empfindlichen Gehirnzellen. Innerhalb weniger Minuten sterben sie ab.
Diese Faktoren verursachen Kammerflimmern
Auch wenn das Kammerflimmern oft plötzlich und ohne Vorwarnung aufzutreten scheint, so leiden die meisten Betroffenen doch schon vorher an einer Herzerkrankung. Mit steigendem Lebensalter erhöht sich auch das Risiko, dass der Herzschlag plötzlich aussetzt. Männer sind aus hormonellen Gründen etwas stärker gefährdet als Frauen.
Besonders folgende Erkrankungen und Einflüsse erhöhen das Risiko für Kammerflimmern:
- Koronare Herzkrankheit
- Herzinsuffizienz und Herzschwäche
- Herzinfarkt
- Herzmuskelentzündung (Myokarditis)
- Verdickung des Herzmuskels (Kardiomyopathie)
- Ausbuchtung in der Herzwand (Herz-Aneurysma)
- Schfafapnoe
- Drogenmissbrauch
- Manche Medikamente, etwa gegen Herzrhythmusstörungen
- Unfall mit Strom, Blitzschlag
- Angeborene Erkrankungen wie das Brugada-Syndrom oder das Long-QT-Syndrom
- Unausgeglichener Mineralhaushalt, insbesondere bezüglich Kalium, Kalzium oder Magnesium
Meist wirken mehrere Faktoren zusammen, wenn es zu der Herzrhythmusstörung kommt. Dabei tritt das Kammerflimmern nach einer Studie der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK) gehäuft am Abend gegen 20 Uhr auf, unabhängig von körperlichen Aktivitäten. Wer einmal an Kammerflimmern litt, hat ein hohes Risiko für ein erneutes Auftreten.
Kammerflimmern: Symptome eines Anfalls
Bei Kammerflimmern sind die Symptome nicht zu übersehen: Betroffene verlieren das Bewusstsein und reagieren nicht mehr auf Ansprache oder Berührung. Ihr Puls ist nicht mehr zu fühlen. Auch die Atmung setzt aus. Die Lippen verfärben sich blau, die Pupillen erscheinen weit und starr. Meist sind im Vorfeld eines Anfalls keine Vorzeichen zu erkennen. Manchmal äußert sich die Grunderkrankung des Herzens jedoch bereits vorher durch Atemnot, Brustschmerzen oder Schwindel.
Sofort Notruf absetzen bei Kammerflimmern!
Tritt Kammerflimmern plötzlich auf und kommt es zu Bewusstlosigkeit, kann die schnelle Reaktion anderer Personen lebensrettend sein. Denn schon wenige Minuten ohne Herztätigkeit können zum Tod oder zumindest zum Absterben wichtiger Gehirnzellen führen. Möglichst gleichzeitig sollte ein Notruf abgesetzt und die Herzdruckmassage begonnen werden. Das Suchen des Pulses kostet dabei zu viel wertvolle Zeit. Wichtiger ist es, schnell wieder Blut in die Arterien zu befördern.
Atmet der*die Ohnmächtige nicht, sollte sofort mit einer Herzdruckmassage begonnen werden. Dafür wird die Mitte des Brustkorbs etwa zweimal pro Sekunde kräftig nach unten gedrückt, um das Herz wieder zum Schlagen zu bewegen. Durch den Druck wird auch eine kleine Menge Blut aus dem Herzen in den Kreislauf geschoben. Gleichzeitig kann über den Mund beatmet werden. Wichtiger ist jedoch die Herzdruckmassage.
Behandlung mit einem Defibrillator
Gibt es einen Defibrillator in der Nähe, sollten weitere Helfer*innen diesen holen. Das Gerät gibt selbständig Anweisungen, wie zu verfahren ist. Helfer*innen müssen nur die Elektroden auf die Brust des*der Betroffenen kleben. Der Defibrillator misst die Herzströme (EKG) und kann selbsttätig erkennen, ob ein Kammerflimmern vorliegt. Falls ja, leitet er automatisch elektrische Impulse ins Herz. Damit wird die eigene Erregung des Herzens unterbrochen und es kann sich wieder ein geregelter Herzrhythmus einstellen. Anschließend ist die Herzdruckmassage bis zum Eintreffen des Notarztwagens fortzusetzen. Ein Defibrillator kann ein Herz besser und zuverlässiger wieder zum Schlagen bewegen als eine Herzdruckmassage.
Langfristige Therapie bei Kammerflimmern
Schlägt das Herz nach einem Anfall von Kammerflimmern wieder, sollte es trotzdem umfassend untersucht werden. Denn meist liegen einem Anfall weitere Herzerkrankungen zugrunde. Wichtige Anhaltspunkte vermittelt dabei ein EKG. Neben dem Ruhe-EKG wird häufig auch ein Belastungs- oder Langzeit-EKG gemacht. Auch bildgebende Verfahren wie Ultraschall, CT und MRT können detaillierte Einblicke in den Zustand und die Funktionstüchtigkeit des Herzens geben.
Zeigt sich dabei eine erhöhte Gefahr für ein erneutes Kammerflimmern, könnte ein implantierbarer Defibrillator sinnvoll sein. Das winzig kleine Gerät wird wie ein Herzschrittmacher eingesetzt. Seine Elektroden führen zur Herzkammer. Das Gerät erkennt automatisch, wenn eine gefährliche Herzrhythmusstörung beginnt, und löst einen elektrischen Impuls aus. Dieser sorgt in der Regel dafür, dass das Herz anschließend wieder normal schlägt. Je nach Art der Herzerkrankung können auch Medikamente das Auftreten von Kammerflimmern verhindern oder zumindest die Wahrscheinlichkeit eines Anfalls herabsetzen.
Schnelle Behandlung bei Kammerflimmern erhöht Überlebenschancen
Kann das Herz durch die Sofortmaßnahmen schnell wieder zum Schlagen bewegt werden, so sind die Überlebenschancen sehr gut. Dabei leistet ein Defibrillator bessere Dienste als eine reine Herzdruckmassage. Mit jeder Minute ohne Behandlung sinken die Überlebenschancen jedoch um rund zehn Prozent. Selbst bei rechtzeitiger Rettung drohen bleibende Schäden, wenn während des Aussetzens des Herzens Gehirnzellen oder Teile anderer Organe abgestorben sind. Nach einer Bewusstlosigkeit durch Kammerflimmern ist die Gefahr groß, im weiteren Verlauf des Lebens wieder einen Anfall zu erleiden. Deshalb sollten Betroffene sich regelmäßig von Herzspezialist*innen beraten lassen.
Vorbeugen gegen Kammerflimmern
Bei Menschen mit einer gesunden Lebensweise tritt Kammerflimmern vergleichsweise selten auf. Deshalb lohnt es sich, folgende Dinge zu beachten:
- Regelmäßige und intensive Bewegung trainieren Herz und Kreislauf
- Verzicht auf Nikotin
- Alkohol nur in kleinen Dosen genießen
- Einhalten von Sicherheitsmaßnahmen im Umgang mit elektrischem Strom
- Bei drohendem Gewitter geschlossene Räume aufsuchen
- Übergewicht vermeiden oder reduzieren
- Gesunde Ernährung mit wenig Cholesterin und Fett sowie mit viel Gemüse und Ballaststoffen – am besten selbst zubereitet
- Behandlung von Bluthochdruck und Diabetes mellitus sowie regelmäßige Kontrolle
- Einhaltung der empfohlenen Vorsorgeuntersuchungen